Tichy, Über Levithan

Die Übersetzerin Martina Tichy über Levithans „Letztendlich sind wir dem Universum egal“
Martina Tichy hat den hier besprochenen Roman „Letztendlich sind wir dem Universum egal“ von David Levithan ins Deutsche übersetzt. Ich habe sie gefragt, ob sie dazu etwas schreiben würde. Hier ist ihre Antwort:

Das Übersetzen von David Levithans Jugendroman „Letztendlich sind wir dem Universum egal“ war eine reine Freude – weil ich nach dem ersten Lesen des gesamten Manuskripts das Gefühl hatte, dem Autor vertrauen zu können, das ist schon mal ein unglaublicher Bonus. Und dieses Gefühl hat sich während der Arbeit an dem Manuskript noch verstärkt. Der einzige Problempunkt war der letzte Satz: „For the first time in my life, I run.“
„Run“ heißt ja zunächst einmal „rennen/laufen“, das konnte es nicht sein, denn der 16-jährige Erzähler ist sicherlich das ein oder andere Mal in seinem schillernden Leben gerannt/gelaufen. „Davonlaufen“ („to run away“) kam ebenfalls nicht in Frage, denn auch das hat er bereits diverse Male getan. In meiner Not wandte ich mich an den Autor und fragte, ob ich diesen letzten Satz sehr frei übersetzt könne, nämlich so: „Zum ersten Mal gehe ich meinen eigenen Weg“ -? Und er antwortete: „Perfect!“

Glücksmomente einer Übersetzerin –

Martina Tichy, 7. Juni 2018

Schmidt-Henkel, Über Echenoz

Der Übersetzer Hinrich Schmidt-Henkel über die Romane von Jean Echenoz
Hinrich Schmidt-Henkel hat die hier besprochenen Romane „14“ und „Unsere Frau in Pjöngjang“ von Jean Echenoz ins Deutsche übersetzt. Ich habe ihn gefragt, ob er dazu etwas schreiben würde. Hier ist seine Antwort:

Wenn man Sätze liebt, die mit einem ganz eigenen Tempo und Rhythmus ironisch funkelnd über viele Facetten hin rasant zum Punkt kommen, dann ist das Übersetzen der Romane von Jean Echenoz ein gefundenes Fressen. Für mich sind seine Texte, ist sein persönlicher Stil eine der liebsten Herausforderungen bei meiner Arbeit. Schon als Leser bin ich ihm völlig verfallen, und als Übersetzer schwinge ich mich beglückt von einem Satz zum anderen. So viel Freude an der Sprache, dabei so viel ironische Intelligenz gegenüber dem eigenen Tun, auch als Erzähler! Echenoz lesen, das ist immer wieder, wie das Fenster aufzumachen und einen tiefen Zug frische Luft zu nehmen. Das gilt auch für das Übersetzen. Freilich steht hier neben dem Durchatmen sehr viel Arbeit im Detail, so viel, dass man sie am Ende nicht mehr bemerkt, sondern dass die Sätze, wenn denn möglich, denselben rhythmischen Schwung haben wie im Original.

Hinrich Schmidt-Henkel, 12. März 2018

Rühmkorf, In meinen Kopf passen viele Widersprüche

Peter Rühmkorf: In meinen Kopf passen viele Widersprüche (2012)
Den 2008 verstorbenen Peter Rühmkorf habe ich als Lyriker in Erinnerung, als Verfasser von Märchen und natürlich als Sammler so schöner Volks- und Kinderpoesie wie:

Mädchen die die Wimpern pinseln
Mädchen die beim Pimpern winseln
Tragen bis hinauf zur Scheide
Strümpfe rein aus Bemberg Seide (1)

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Salter, Komet

James Salter: Komet (2016)
Der 2015 verstorbene James Salter ist einer der großen amerikanischen Autoren, der bei uns erst relativ spät entdeckt wurde. Sein Roman „Lichtjahre“ beispielsweise brauchte 23 Jahre für seinen Weg nach Deutschland. 2016 sind seine Erzählungen nun in einer neuen Ausgabe mit dem Titel „Charisma“ erschienen, „Komet“ ist eine davon. Leider verrät die Ausgabe des Berlin-Verlags dem Leser nichts über die Entstehungszeit der Geschichten. → weiterlesen

Levithan, Letztendlich sind wir dem Universum egal

David Levithan: Letztendlich sind wir dem Universum egal (2014)
Wenn man selbst keine Kinder hat, gehen neue Kinder- und Jugendbücher meist völlig an einem vorbei. Man bekommt einfach nichts mit von ihnen, und das ist häufig, so auch in diesem Fall, ziemlich schade. Denn oft haben sie ganz besondere Themen und Perspektiven, und vor allem: Sie sind einfallsreich und originell geschrieben.→ weiterlesen

Kempowski, Heile Welt

Walter Kempowski, Heile Welt (1998)
Ein weiterer Roman Kempowskis, der meine Erwartungen weit übertroffen hat. Eigentlich hatte ich nicht vor, das Buch hier zu besprechen, als ich mit der Lektüre begann. Ich wollte nur mal reinschauen. Zu beschaulich der Titel und zu harmlos die Geschichte, die mir der Klappentext verhieß:→ weiterlesen

Echenoz, Unsere Frau in Pjöngjang

Jean Echenoz, Unsere Frau in Pjöngjang (2017)
In seinem neuen Roman, der von Hinrich Schmidt-Henkel ins Deutsche übersetzt wurde, spielt der französische Autor Jean Echenoz, geboren 1947, mit dem Genre des Agentenromans.

General Bourgeaud, achtundsechzig und „spezialisiert auf die Ein- und Ausschleusung sensibler Personen zu nachrichtendienstlichen Zwecken“, will noch einmal zeigen, was er kann. Und die Zeit vertreiben muss er sich ja auch irgendwie. → weiterlesen

Schrott, Die Fünfte Welt

Die Sahara (1)

Raoul Schrott, Die Fünfte Welt. Logbuch (2007)
Ende 2005 bricht in N’Djamena, Hauptstadt des Tschad, eine Expedition nach Nordosten auf, zu einem der „letzten weißen Flecken der Erde“. Hauptziel: das Erdi Ma, ein Felsplateau im Länderdreieck von Tschad, Libyen und Sudan. (2)

Der Kölner Saharaforscher Stefan Kröpelin leitet diese Expedition und der Schriftsteller Raoul Schrott schließt sich ihr an. → weiterlesen