Der Übersetzer Werner Richter über Boyes „Drop City“
Werner Richter hat viele Bücher Boyles übersetzt (2), darunter auch das 2003 erschienene „Drop City“. (Siehe meine Besprechung.) Ich habe ihn gefragt, ob er dazu etwas schreiben würde. Hier ist seine Antwort:
Hallo, ich grüße Blogschreiber wie Blogleser und sage auf Anfrage gerne etwas zur Frage der Umgangssprache bzw. ganz allgemein zu Soziolekten und Subkulturen in der Übersetzung:
Als ich Drop City vor fünfzehn Jahren in Arbeit hatte, war ich 45, konnte aber durchaus auf eine „einschlägige“ Vergangenheit mit 15-18 zurückgreifen, vor allem die Hippieromantik war mir noch gut im Blut (und im Ohr). Ich hatte auch Kollegen zum Ansprechen, die z.B. Jack Kerouac oder Alan Ginsberg übersetzt hatten. Trotzdem gab es da einiges an Recherchen anzustellen, und zwar zur Schlittenhundhaltung oder zum Blockhausbau genauso wie zu diesen quasi sprachhistorischen Fragen. Also konkret: hat man in den 1960er Jahren schon „O-Saft“ bestellt (nein), ist die für mich äußerst cool klingende „Stromgitarre“ evtl. ein Austriazismus und daher nicht einsetzbar (ich glaube ja), und dergleichen mehr Knacknüsse. Noch dazu hatte ich eine gewohnt besserwisserische Lektorin im Verlag, die des öfteren meine Hippiesprech-Kompetenz in Zweifel zog, weil man das „damals an der Rive gauche nicht so gesagt hat“, ehrlich! (andere Peergroup offenbar.) Ich kann mich etwa erinnern, dass ich mich richtig hart durchsetzen musste, um die Bezeichnung „Freak“ für praktisch jeden Mann in der Hippie-Community drinzulassen, weil bei ihr da wohl die englische Bedeutung interferierte – und eben weil der Umgang mit hierzuländischen Freaks damals fehlte. Also man merke: das Lektorat will manchmal auch noch mitreden. Aber schon klar, vorne steh ich mit meinem Namen drin und daher auch für alles ein.
Noch eine weitere Anmerkung: gerade T.C. Boyle war (anders als manche seiner Kollegenundinen) für persönliche Kontakte immer bereit. Ich hab ihn auch öfters live getroffen, einmal sogar ganz privat, das war richtig witzig. Und er hat (ganz früher per Aerogramm! später in eMails) jede Frage gern beantwortet – oder jedenfalls zu beantworten versucht, denn auch wenn die Verlage heute sehr schnell übersetzen lassen, um teils schon zusammen mit dem Original erscheinen zu können, ist der Autor natürlich in Gedanken längst beim übernächsten Buch und kann sich an sein „Geschwätz von vorgestern“ oft kaum erinnern. Abgesehen davon hätte mir Tom beim deutschen Hippiesprech natürlich eh kaum helfen können, auch wenn seine Frau irgendwie deutsche Vorfahren hatte.
Werner Richter, 4. Januar 2018
(1) Foto: Pixabay.com
(2) Zu Werner Richter und Boyle vgl. auch „Der Mann, der uns T.C. Boyle brachte.“
(3) Über die Nöte und Triumphe der Übersetzer/innen: Interview mit W. Richter zum ORF-Urteil