Naters, Königinnen

Worried Girl. Ryan McGuire, pixabay.com

Elke Naters, Königinnen (1998)
Auf diesen originellen kleinen Roman hat mich Wolfgang Herrndorf aufmerksam gemacht, der ihn in seinem Blog „Arbeit und Struktur“ lobt. (Siehe dort den Eintrag vom 14.6.2012.) Es ist der erste Roman von Elke Naters, geb. 1962.

In kurzen Kapiteln lässt Naters abwechselnd zwei befreundete junge Frauen zu Wort kommen: Marie und Gloria. Sie leben in Berlin, sind um die 30 Jahre alt, und sie reden und plappern – übereinander, über Männer, Mode, Ehe, Drogen, über die Liebe, das Fernsehen, über ihre Freundschaft und alles, was für sie wichtig ist im Leben.

Es gibt also keine herkömmliche Erzählerin, sondern Naters lässt die zwei Frauen für sich sprechen, es sind zwei Ich-Erzählerinnen mit ganz unterschiedlichen Sichtweisen. Das macht den Reiz des Romans aus, denn der Leser lauscht ihren fortgesetzten Selbstgesprächen und muss sich selbst seinen Reim darauf machen. Sie offenbaren ihre Sehnsüchte und Ängste, oft nur zwischen den Zeilen und zwischen all dem Geplapper, sie entlarven sich, je länger sie reden. Und das ist oft traurig, berührend, oft lächerlich, oft naiv und dumm, aber oft auch unglaublich witzig. Manchmal reden sie direkt nacheinander über dasselbe Ereignis, dieselbe Person und man kann sehen, wie sie lügen, täuschen oder sich irren. Das ist schon gut und spannend gemacht.

Sie haben kein Geld, und richtig gut geht es ihnen nur, wenn sie einkaufen gehen. Mit der Goldenen KaDeWe-Kundenkarte, ohne einen Pfennig auf dem Konto. Dann sind sie die Königinnen.
Gloria sagt dazu:

Ich möchte so richtig viel Geld haben. Soviel Geld, daß man es nie ausgeben kann.
Dann würde ich an Tagen, an denen ich sonst nichts anzufangen weiß, Marie anrufen, und wir würden durch die Stadt ziehen und jeden Mist kaufen, der uns gefällt. Das meiste hätten wir gleich über, weil es bei den meisten Sachen nicht darum geht, sie zu haben, sondern weil nur das Kaufen die richtige Befriedigung verschafft.

Die eine, Gloria, ist verheiratet mit Lorenz, Hausfrau, hat ein Kind und erwartet ein zweites. Die andere, Marie, ist Single, hat eine Abtreibung hinter sich, ist ohne Job und auf der Suche nach dem passenden Mann fürs Leben. Sie hat nach ihren schlechten Erfahrungen riesige Angst, dabei Fehler zu machen:

Ich komme mir vor wie ein Ei, das die Straße hinunterrollt, so sehr fürchte ich auf einmal, daß was kaputtgeht.

An solchen Stellen kommt unvermittelt eine Tiefe ins Spiel, die sonst eher zwischen den Zeilen liegt und die man als Leser dort leicht übersehen kann. Im Gespräch mit Anderen würde Marie so etwas nämlich nie zugeben.

Beide, und das ist gleichzeitig die Tragik und die Komik der Geschichte, beneiden die Freundin um deren anderes und vermeintlich besseres Leben. Die verheiratete Gloria sehnt sich nach der Freiheit Maries, und Marie beneidet Gloria um deren Eheleben, Mann und Kind – das, was sie nicht hat. Letztlich siegt aber die Freundschaft, beide merken, wie sehr sie aufeinander angewiesen sind, trotz aller Probleme.

Insgesamt hinterlässt das Buch bei mir einen zwiespältigen Eindruck. Ich weiß nicht, ob dreißigjährige Frauen so denken und sprechen, mir kommen die beiden, wie sie so vor sich hinplappern, wesentlich jünger vor, eher wie Schulmädchen. Man fragt sich zudem, warum man sich als Leser mit diesen beiden Frauen abgeben soll, die doch sehr oberflächlich wirken und jede Menge Klischees bestätigen. Der Witz und die Perspektivenwechsel können das nur zum Teil ausgleichen.

Aber neugierig auf die weiteren Bücher von Elke Naters bin ich schon.


Elke Naters: Königinnen. München: dtv, 2000.
Erstveröffentlichung: Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1998.


(1) Schöne Rezensionen findet man u.a. in der taz und im Spiegel.

(2) Eine Untersuchung der unzuverlässigen Erzählerinnen bei Naters und Kracht.

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