Saroyan, Die presbyterianischen Chorsänger

William Saroyan, Die presbyterianischen Chorsänger (2017)
William Saroyan (1908–1981), als Sohn armenischer Einwanderer in Fresno, Kalifornien, geboren, war einer der bekanntesten US-amerikanischen Schriftsteller des vergangenen Jahrhunderts. Er begann seine Laufbahn mit Kurzgeschichten, die ab 1928 erschienen. In Armenien wird er bis heute als Nationalschriftsteller verehrt, in Deutschland ist er weitgehend vergessen. Bei DTV ist nun im vergangenen Jahr ein Band mit Erzählungen erschienen, übersetzt von Nikolaus Stingl (1, 2).

Eine der schönsten und komischsten Geschichten in diesem Band ist die über „Die presbyterianischen Chorsänger“. Miss Balaifal, eine ältere, christlich gesinnte Dame, einsam und voller Kummer, macht sich Sorgen um das seelische Heil Pandros und Arams, zweier Jungs aus ihrer Nachbarschaft. Sie sind Söhne armenischer Einwanderer. Aram selbst ist der Ich-Erzähler und schildert, wie alles beginnt:

[Mein Freund Pandro] hatte wie ich ein lautes Mundwerk. Das heißt, wir beide fluchten viel – in aller Unschuld natürlich – und das betrübte Mrs. oder Miss Balaifal so sehr, dass sie versuchte, uns zu retten, solange noch Zeit dafür war. Ich für meinen Teil hatte keinerlei Anlass, es jemandem übelzunehmen, dass er mich retten wollte.

Miss Balaifal gibt den beiden Jungs zunächst Lektüre mit und mahnt, es sei noch nicht zu spät:

Meine Broschüre trug den Titel ‚Erlösung: Die Geschichte eines Trinkers‘. Die von Pandro trug den Titel ‚Endlich Frieden: Die Geschichte eines Trinkers‘.

Viel mehr soll hier nicht verraten werden. Als Miss Balaifal sie schließlich zum Singen im Kirchenchor überreden will, wittern die beiden Jungs ein Geschäft und beginnen mit der alten Dame zu schachern. Besonders Pandro, der nicht singen kann und sich daher fürs Schweigen bezahlen lassen will, ist ein Meister darin:

‚Ein Dollar und ein Quarter‘, sagte Pandro, ‚oder wir gehen zu den Baptisten.‘


William Saroyan: Die presbyterianischen Chorsänger. In: William Saroyan: Wo ich herkomme, sind die Leute freundlich. Storys. Aus dem amerikanischen Englisch von Nikolaus Stingl. Mit einem Nachwort von Richard Kämmerlings. München: dtv, 2017.
Erstmals erschienen unter dem Titel „The Presbyterian Choir Singers“ in Harper’s Magazine, August 1939.


(1) Interview mit Nikolaus Stingl über die Qualität von Übersetzungen

(2) Interview mit Nikolaus Stingl zu Saroyan (YouTube)

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