Louis Sachar: Löcher. Die Geheimnisse von Green Lake (1998)
Selten hat mich ein Jugendbuch so gepackt wie dieses. Ich habe es an einem Abend verschlungen und mich blendend unterhalten. Was dem Buch erfreulicherweise fehlt, ist der Wink mit dem Zaunpfahl, die Moral von der Geschicht‘, die ja gerade bei Jugendliteratur – aber auch sonst – so oft den Spaß am Lesen verdirbt. Aber das hier kann man auch als Erwachsener gut lesen.
Es fängt schon ganz ungewöhnlich an: Der 15-jährige Stanley Yelnats läuft zufällig unter einer Brücke, als ihm ausgerechnet die Turnschuhe eines berühmten Baseballspielers auf den Kopf fallen. Und weil sein Vater gerade ein Recycling-Verfahren für gebrauchte Turnschuhe entwickelt, das die Familie endlich reich machen soll, hält Stanley das für ein Zeichen und nimmt sie mit. Die Polizei allerdings sucht schon nach dem Dieb der berühmten Schuhe. Der Jugendrichter lässt Stanley dann die Wahl: Gefängnis oder 18 Monate Camp Green Lake in Texas. Er entscheidet sich für das Camp, das er zunächst für ein Ferienlager am Wasser hält. Leider hat er nicht mit der unberechenbaren Chefin, mit giftigen Tieren, sinnloser Schufterei und mit der Wüste gerechnet.
In diesem Camp, das sich auf einem ausgetrockneten See befindet, müssen Stanley und die anderen Jugendlichen jeden Tag ein Loch graben, einsfünfzig tief und einsfünfzig weit. Und das in unerträglicher Hitze mit nur wenig Trinkwasser. Tausende solcher Löcher klaffen bereits am Green Lake. Wo sie graben, gibt es nichts als Wüste, flirrende Hitze, gelb gefleckte Eidechsen und Klapperschlangen. Der Biß dieser Tiere ist tödlich. Die knappe Begründung der Lagerleitung für die ungewöhnliche Arbeit:
Das Graben dient einzig und allein der Charakterbildung. Nur wenn ihr zufällig etwas findet, dann wüsste der Boss es gern.
Der wahre Grund für die scheinbar völlig sinnlose Schufterei bleibt den Gefangenen zunächst verborgen. Stanley, übergewichtig und unsportlich wie er ist, hat mit den harten Bedingungen besonders zu kämpfen. Aber dann stößt er auf etwas Merkwürdiges beim Graben und die Aufregung beginnt. Mehr soll hier nicht verraten werden.
Der Roman thematisiert natürlich ganz nebenbei auch eine autoritäre Strafjustiz, die meint, man müsse straffällig gewordene Jugendliche in lebensfeindliche Wüstencamps schicken, um sie dort durch Härte, Entbehrungen und Disziplin wieder auf den rechten Weg zu bringen. Aber es geht auch um Rassismus, um Liebe, Freundschaft, Habgier, um einen Familienfluch usw. Ein wunderbar schräges, spannendes und romantisches Jugendbuch.
Oder, wie es eine Rezensentin bei Amazon gesagt hat:
Ich empfehle das Buch vor allem denen, die auf Löchergraben stehen.
Louis Sachar: Löcher – die Geheimnisse von Green Lake. Beltz & Gelberg, 2000. Aus dem amerikanischen Englisch von Birgitt Kollmann. Originalausgabe: Holes. New York: Farrar, Straus and Giroux, 1998.
(1) Interview mit der Übersetzerin Birgitt Kollmann über gute Jugendbücher und über das Übersetzen.